Heute habe ich das Vergnügen, den bekannten und geschätzten Robindro Ullah zu interviewen, der uns mehr über seine neue Firma, die GfR, Gesellschaft für Recruitingqualität berichten wird. Aber kurz zum Hintergrund, wie ich zu dem Interview gekommen bin. Ich habe in meinen mehr als zehn Jahren im Recruiting mit unzähligen Personalberatern zusammengearbeitet – welche jedoch nur ein Bruchteil derer waren, die mich permanent angeschrieben hatten oder mir „total dringend“ empfohlen wurden von geschätzten Kolleginnen und Kollegen. Abgesehen von den Konditionen gab es jedoch wenig objektive Entscheidungskriterien, wonach man die Qualität eines Personalberaters von außen abschätzen konnte. Dies ist relativ bemerkenswert, wenn man bedenkt, welche Unsummen jedes Jahr in Personal Berater investiert werden. Also begaben wir uns auf die Suche nach Standards und so sind wir nach längerer Suche zwangläufig auf das neue Startup GfR gekommen, welches sich mit Zertifizierung von Mindest-Qualitätsstandards im Recruiting insbesondere Personalberatern beschäftigt. Daneben hat das Thema auch einen großen Einfluss auf die Bewerberzufriedenheit, wie wir bereits lesen konnten.
Tim: Hallo Robin, schön, dass du dir die Zeit für dieses Interview auf Recruitingnerd.de nimmst. Stell dich doch bitte kurz meinen Lesern vor. Auch wenn ich davon ausgehe, dass dich die meisten hier schon kennen dürften von der HR Tech Night, deinem Blog oder deinen Autoren- beziehungsweise Speaker-Tätigkeiten.
Robindro: Hi Tim, ich versuche es mal nicht allzu ausschweifend zu machen. Ich bin studierter Wirtschaftsmathematiker, der vor deutlich mehr als einem Jahrzehnt den internen Quereinstieg bei der Deutschen Bahn gewagt hat vom Fachbereich ins Recruiting. Dort habe ich dann auch meine erste Führungsrolle angenommen, um nun etliche Jahre später über diverse Stationen zu meiner aktuellen Rolle zu gelangen. Heute bin ich der Geschäftsführer von Trendence, einem Marktforschungsinstitut im Bereich Arbeitsmarkt, welches ich in die digitale Welt führe. In den vergangenen 3 Jahren habe ich viele Projekte und Firmen aufgebaut, unter anderem die GfR, die ich gemeinsam mit Kooperationspartnern entwickelt habe, um wie auch bei Projekten wie der HR TEC Night mehr Licht ins Dunkel zu bringen.
Tim: Was hat dich dazu bewegt, die GfR zu gründen?
Robindro: Seit dem ich 2007 ins Recruiting gerutscht bin, durfte ich mich immer wieder mit dem Thema Personalberater auseinandersetzen. Zuletzt wurde ich vor 4 Jahren Mitglied in der Headhunter of the Year Jury. In den bisherigen Unternehmen, für die ich arbeiten durfte, war die Ausgangssituation meist ähnlich: eine recht große Anzahl an Beratern wollte für uns arbeiten, zzgl. der Berater, die regelmäßig über das Management eingestreut wurden.
Die Herausforderung war es also eine sinnvolle Bestenauswahl umzusetzen. In einem derart intransparenten Markt keine leichte Aufgabe. Wie ich eben schon schrieb: mir geht es um Transparenz in unserer Branche. Dafür habe ich etliche meiner Projekte und Firmen aufgesetzt und auch die GfR soll ihren Beitrag hier leisten.
Tim: Lass uns da gerne ein wenig tiefer einsteigen. Was du alsso im Kontext Personalberater vorgefunden hast, kann man kurz in „Wildwuchs“ umschreiben – verstehe ich das richtig?
Robindro: Genau. Und uns als Recruiter fehlten objektive Kriterien, wie wir dann zwischen diesem Wildwuchs an Personalberatern entscheiden konnten. Also wurden in der Regel eine von zwei Dingen gemacht: Entweder nach Preis bzw Konditionen ausgewählt (Spoiler: Keine gute Idee) oder in seltenen Fällen wurde ein Pitch durchgeführt, was sich aber als sehr zeitintensiv herausstellte.
Die Idee, hier etwas zu ändern, wuchs also schon eine längere Zeit in mir. Im letzten Jahr hatte ich sehr viele Gespräche mit verschiedenen Recruitingleitern, denen ich meine Idee als Sparring vorgestellt hatte und unisono hatten alle die gleiche Erfahrung wie ich. Also habe ich aus dem Sparring und gemeinsam mit dem Input von externen Experten die Methode der GfR Zertifizierung erarbeitet.
Tim: Das hört sich sehr nachvollziehbar an. Kannst du kurz erläutern, wie genau die Zertifizierung abläuft?
Robindro: Wir zertifizieren Personalberater in drei Punkten, die wiederum in acht Dimensionen unterteilt sind, die auch wiederrum in einer Vielzahl von Fragen beziehungsweise Kennzahlen runtergebrochen sind. Die drei Punkte sind: Client Experience, Candidate Experience und interne Qualität (hierunter fallen Prozesse, Qualitätsmanagement, Datenschutz, Qualität der Berater etc.). Hier auch eine beispielhafte Übersicht über die acht Dimensionen (siehe Abbildung).
Nach Beauftragung starten wir den Analyse-Prozess in Zusammenarbeit mit dem Berater und geben dem Berater dann ein detailliertes Feedback, was gut läuft und wo er/sie besser werden könnte. Sie bekommen von uns stets konkrete Maßnahmen genannt, wie sie sich verbessern können. Bei positiver Beendigung des Prozesses bekommt der Personalberater ein Zertifikat von uns ausgestellt, welches ein Jahr gültig ist.
Tim: Warum ist das Zertifikat nur ein Jahr gültig?
Robindro: Wir stehen mit unserem Namen für eine Mindestqualität, die wir dem Kunden attestieren. Da das Recruiting-Business aktuell sehr starke Veränderungen durchmacht und sich auch Methoden, Prozesse und Erkenntnisse regelmäßig ändern, würde eine längere Zertifizierung nicht seriös sein.
„Personalberater bekommen eine objektive Analyse der eigenen Arbeit mit der wohl besten Methodik im deutschsprachigen Bereich“
Robindro Ullah
Tim: Jetzt mal ganz konkret: Welchen Vorteil hat man als Personalberater durch die Zertifizierung?
Robindro: Ich sehe vor allem vier große Vorteile. Erstens bekommen Personalberater eine objektive Analyse der eigenen Arbeit mit der wohl besten Methodik im deutschsprachigen Bereich inklusive konkreter Handlungsempfehlungen, wie sie ihren eigenen Erfolg steigern können. Zweitens bekommen Personalberater eine Einschätzung von uns, wo sie im Wettbewerb stehen. Und drittens bekommen sie mit unserem Zertifizierung einen klaren Differenziator und Wettbewerbsvorteil mit dem sie sich bei Kunden besser positionieren können. Zuletzt haben wir die Zertifizierung derart mit Arbeitgebern entwickelt, dass vor allem deren Fragestellungen im Dienstleister-Prozess berücksichtigt werden. Das Produkt ist damit nicht auf den Personalberater optimiert, sondern auf den Arbeitgeber.
Tim: Das bringt mich direkt zum nächsten Punk: Welchen Vorteil hat es denn für Arbeitgeber, wenn sie bei der Auswahl von Personalberatern zukünftig darauf achten, ob sie GfR zertifiziert sind?
Robindro: Es gibt eine schier endlose Anzahl von Personalberatern in Deutschland – von unterschiedlichster Qualität. Wir können bei den Personalberatern, die unseren Zertifizierungsprozess erfolgreich abgeschlossen haben, nachweisen, dass sie transparent, integer und mit sauberer Methodik vorgehen und sowohl Kunden als auch Kandidaten gut behandeln. Damit ist natürlich kein Automatismus für den Erfolg einer Suche gegeben, aber die Wahrscheinlichkeit für langfristigen Erfolg ist hier auf jeden Fall höher.
Tim: Also würdest du dazu raten, nur noch Personalberater zu nutzen, die GfR zertifiziert sind?
Robindro: Ich möchte hier ganz transparent sein. Noch sind wir recht frisch auf dem Markt und haben uns noch nicht überall etabliert. Deswegen würde ich auch nicht dazu raten, Personalberater zu disqualifizieren, nur weil sie noch keine GfR Zertifizierung haben. Ich empfehle hier eine Positiv-Selektion: Wenn man auf der Short- oder Longlist einen Personalberater hat, der die GfR-Zertifizierung hat, dann sollte man das als starken Pluspunkt anrechnen.
„Ich empfehle eine Positiv-Selektion: Wenn man auf der Short- oder Longlist einen Personalberater hat, der die GfR-Zertifizierung hat, dann sollte man das als starken Pluspunkt anrechnen! „
Robindro Ullah
Tim: Was ist dein Big Picture – wo würdest du die GfR gerne in 3-5 Jahren sehen?
Robindro: Ich bin der festen Überzeugung, dass mehr Qualitätsstandards dem Recruiting gut tun würden. Wir als GfR wollen unseren Beitrag dazu leisten und dadurch auch die Position von Recruitern steigern. In 3-5 Jahren sehe ich die Zertifizierung als fest etablierten Bestandteil der Szene. Unser Arbeitsmarkt wird uns sehr bald zu eine noch größeren Vielfalt an Beratern führen. Hier werden wir mit unserer sehr differenzierten Zertifizierung zunehmend größeren Mehrwert bieten können – sowohl für Recruiter als auch für Personalberater.
Tim: Vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Antworten – und viel Erfolg mit eurer Zertifizierung.
Die Mission in allen Ehren, aber wo ist der Unterschied zum BDU, die eng mit dem Verband der Personalmanager zusammen arbeiten? Letztlich bringt eine zusätzliche Zertifizierungsstelle, neben den aufgeführten Rankings nicht unbedingt mehr Transparenz in den Markt.
Hi Martin,
vielen Dank für deine Einschätzung. Naturgemäß hast du als Dienstleister dazu eine andere Sicht, die ich auch gut verstehen kann. Deswegen meine Sicht als Kunde – also als derjenige der Personalberater beauftragt.
So lange die bisherigen Zertifizierungsstellen jedoch noch keinerlei angemessene Marktdurchdringung haben – und ich meine das aus mehr als 11 Jahren Kunden-Seite und sämtlichen Feedback aus meiner Community ziehen zu können – ist es notwendig, dass mehr getan wird. Vielleicht wird sich die GfR durchsetzen, vielleicht wird sie dazu führen, dass andere (wie der BDU) sich anders positionieren. Who knows. Egal welches Szenario ich durchgehe: es wäre aus Kundensicht wünschenswerter.
Sollte in Summe irgendwann die Marktdurchdringung deutlich besser werden muss man sich zwangsläufig mit dem abnehmenden Grenznutzen auseinandersetzen.
VG
Tim