Angeregt durch eine reichweitenstarke und vor allem kontroverse Diskussion auf XING über den Sinn oder eigentlichen Zweck der Verleihung der „goldenen Runkelrübe“ möchte ich hier mal meinen Senf dazu geben. Da ich in diesem Jahr nicht in der Jury war, behaupte ich mir mal eine gewisse Neutralität.
Aber erst einmal eins nach dem anderen: 1. Ausgangssituation:
Was ist die goldene Runkelrübe?
Die goldene Runkelrübe ist ein Award für herausragend schlechte Personalkommunikation, welcher seit 2013 verliehen wird. Initiatoren sind zwei geschätzte und kompetente Blogger-Kollegen – Henner Knabenreich (Knabenreich Consult) und Jannis Tsalikis (VICE).
In der Nominierungsphase kann jeder Anzeigen, Kampagnen, Videos o.ä. einsenden, welche in eine der 4 genannten Kategorien passen. Die Gewinner werden dann von einer Fach-Jury (zu der man sich bewerben kann und in welcher ich im letzten Jahr war) nach gewählt – jedes Jury-Mitglied bekommt eine Stimme. Da quasi jeder bei dieser Jury (in diesem Jahr ca. 70 Personaler) teilnehmen kann, kann man im weiteren Sinne von einem Publikumspreis sprechen.
Für einen Beitrag in diesem Forum hat dies eine außerordentlich große Resonanz hervorgerufen. 4-5 mal so viele Views, wie bei anderen Beiträgen aus dieser Zeit. 22 Zustimmungen und 15 Kommentare (Stand 10.12.2014 um 08.00 Uhr). Zum Vergleich: Im Durchschnitt bekommt jeder Beitrag 1,02 Kommentare.
Der Inhalt der Kritik:
Da es bei den Diskussionen sehr stark auf einzelne Formulierungen ankommt, werde ich die wichtigsten Punkte direkt zitieren. Es sind hier übrigens nicht nur die Kritikpunkte des Initiators der Diskussion aufgeführt, sondern auch die, derer Teilnehmer:
„Denn es offenbart, dass die Initiatoren einem grundlegendem Missverständnis von HR-Kommunikation aufsitzen“
„Mir scheint, die Initiatoren des Awards sind in ihrer eigenen Welt der Kommunikation gefangen“
„Folgerichtig schütten die vermeintlichen Avangardisten der HR-Community Kübel von Häme über diese ‚Preisträger‘.“
„Sind die prämierten Filetstücke nicht auch ein authentischer Ausdruck der Unternehmenskultur der Preisträger?“
„Hilft es nicht potentiellen Bewerbern, diese Schlüssellochperspektive zu kennen, um zu entscheiden ob sie die Richtigen für diese Organisation sind?“
„Verkleistern nicht vielfach die hochglänzenden, kostenintensiven Kampagnen diesen klaren Einblick?“
„Und ist schlussendlich dieser Award nicht nur eine Marketingmaschine, um noch mehr Hochglanz in die Welt zu bringen ohne, dass an den inneren Werten von Unternehmen gearbeitet wird?“
„Gar keine Frage, die Initiatoren der goldenen Runkelrübe haben damit nicht etwa die Verbesserung der (Personal-)Welt, sondern genau nur eine einzige Sache im Sinn: Werbung für sich selbst zu machen.“
Ich versuche die Kritikpunkte mal mit meinen eigenen Worten zusammenzufassen:
Schlechte Darstellung/Form/Inhalt sind authentisch und damit ein Spiegelbild der Unternehmenskultur. Wenn man Sie „auf Hochglanz“ trimmt, würde das ein verzerrtes Bild auf die Innensicht des Unternehmens geben.
Wir (als Teil der „vermeintlichen Avangardisten der HR-Community“) sind in unserer eigenen fachlich geprägten Sicht auf die Personalkommunikation gefangen.
Die goldene Runkelrübe dient primär der Eigenwerbung der Initiatoren
3. Meine Einschätzung:
Meine erste Reaktion war – es sind doch immer die gleichen die meckern – zufälligerweise sind dies fast ausnahmslos selbst Personaldienstleister. Insbesondere in XING-Gruppen.
Meine zweite Reaktion war dann aber – vielleicht haben die Kritiker mit manchen Punkten nicht nur Unrecht. Grundsätzlich halte ich diese Pauschalaussagen für falsch – weil es sehr stark pauschalisiert. Wenn ich als Personalleiter den Anzeigentext meiner Anzeige verändere, dann ich das kein Spiegelbild von meinem Unternehmen sondern höchstens ein Spiegelbild dessen, was ich für sinnvoll erachte in eine Stellenanzeige zu platzieren. Man kann also durchaus valide Rückschlüsse auf Personalarbeit oder speziell das Personalmarketing ziehen, aber mehr auch nicht. Natürlich gibt es auch Anzeigen und Kampagnen, die möglichweise die Unternehmenskultur/-Werte widerspiegeln. Aber wie viele Personaler können dies schon von ihren Kampagnen behaupten?
Wenn dies jedoch der Fall ist, dann ist natürlich die Kritik an einer Kampagne tatsächlich unangebracht. Wenn wir das Beispiel „Patentamt“ nehmen: Ganz ehrlich – genau so habe ich mir auch die Stellenausschreibung in einer deutschen Behörde vorgestellt – und ja, das halte ich auch für authentisch.
Sind wir in unserer eigenen speziellen Sicht auf Personalkommunikation gefangen? Das kommt sicherlich immer mal wieder vor – aber dadurch, dass die meisten Kollegen, die ich kenne, die unter diese Titulierung „vermeintlichen Avangardisten der HR-Community“ fallen, sich dessen bewusst sind, ist dies nicht von langer Dauer. Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler – natürlich gibt es auch im Personalmarketing immer mal wieder Trends, die alle für total wichtig halten und zum Schluss gibt es aber nicht die entsprechende Resonanz bei den Bewerbern. So what?
Die goldene Runkelrübe dient nicht primär der Eigenwerbung der Initiatoren – aber die Initiatoren verdienen dadurch Lob und bekommen dadurch auch Werbung.
Die Frage, die man sich natürlich zu Recht stellen darf – die aber leider in der oben genannten Kritik nicht gestellt wurde: Ist die Form der goldenen Runkelrübe das zielführendste? Hilft es tatsächlich, wenn man Kampagnen von teilweise auch sehr kleinen Unternehmen, welche möglicherweise nicht einmal eine eigene HR-Abteilung haben, öffentlich zur Schau stellt und deren mangelndes Know-How entblöst? Sollte man möglicherweise bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sensibler (nachsichtiger) sein? Darüber könnte man vielleicht kontrovers diskutieren. Aber über die oben genannten Punkte nicht.
Der Recruiting Nerd Gründer. Mehr als zehn Jahre Erfahrung im Recruiting. Blogger, Speaker und Fachautor zu den Themen Candidate Experience, Recruiting Analytics, Trends und Digitalisierung im Recruiting.
Eine Sache wird bei dieser Diskussion immer vergessen – nehmen wir das Beispiel Patentamt. Ja, es ist eine Behörde. Ja, auch ich wundere mich nicht wirklich über diese Darstellung. Die Frage ist aber, würde das Patentamt nicht größere Chancen beim Bewerber (und damit auf mehr respektive bessere Bewerbungen) haben, wenn es ein paar Punkte optimiert?
Z. B. weniger (verschwurbelte), sondern mehr praxisbezogene, konkrete Beispiele der Aufgaben darstellt, weniger Anforderungen an das Bewerberprofil stellt (insgesamt gibt es drei Abstufungen), mehr über sich als Arbeitgeber und seine Kultur und Benefits mitteilt (derzeit zwei Zeilen) und einen Ansprechpartner sowie eine Adresse für Rückfragen bzw. die Adressierung der Bewerbungsunterlagen mitteilt? Gerade im Hinblick auf eine positive Candidate Experience (die du gerne und zu Recht immer wieder postulierst!) ist das das Mindeste.
Was die Geschichte mit der Unternehmensgröße angeht. Es sind oft genug große Unternehmen, die das 1×1 guten Personalmarketings beherrschen. Oftmals punktet der Mittelstand sogar mit seinen Maßnahmen. Wenn es nach mir ginge, hätten auch andere den Preis gewonnen. Aber es geht nicht nach mir. Es sind Mehrheitsentscheidungen, die letztendlich zur Preisvergabe führen.
Aber: Natürlich sind Jannis und ich auch lernfähig und Vorschläge herzlich willkommen. Eins darf man aber auch nicht vergessen: Gerade weil es eine solche publikumswirksame Auszeichnung ist, wird das Bewusstsein für dieses Thema geschärft und kommt solch eine Diskussion ins Rollen. Und genau das ist beabsichtigt.
ich freue mich für die schnelle Reaktion! Ich bin da 100 %ig bei dir. Es gibt sicherlich einige – nennen wir sie mal Hygienefaktoren, die pauschal überall eingehalten werden sollten.
Ich finde das Projekt gut – und glaube auch, dass es sich noch weiter entwickeln wird. Und ja, auch die Jury wird sich womöglich noch weiterentwickeln.
Vielleicht mal ein Brainstorming mit den bisherigen Jury-Mitgliedern o.ä.
ich habe zu der Art und weise der Diskussion ja bereits im Forum Stellung bezogen, für einen eigenen Blogbeitrag ist es mir zu sehr eine Sau durchs Dorf getrieben. 😉
Aber ich wollte Ihnen noch mal Danken für die differenzierte Betrachtung, die der Diskussionsinitiator in der HR Gruppe leider in meinen Augen mittlerweile vermissen lässt.
vielen Dank für den Zuspruch und die Stellungnahme in der XING-Gruppe. Es ist immer mein Bestreben möglichst reflektiert über die Themen zu schreiben – auch wenn es mir manchmal in den Fingern juckt und ich manchmal auch gerne unreflektierter schreiben würde 😉
Der Initiator des Xing-Beitrags sieht die Dinge ja nicht grundsätzlich verkehrt, aber er betrachtet nur eine Seite eines vieldimensionalen Themas. Deswegen ist seine Ansicht sogleich richtig, wie auch falsch….. oh Mann klingt das philosophisch 😉
VG
Tim
P.S.: Schön einen weiteren Blogger seit diesem Jahr aus dem HR-Bereich zu sehen!
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Hallo Tim,
danke dir für deinen Artikel.
Eine Sache wird bei dieser Diskussion immer vergessen – nehmen wir das Beispiel Patentamt. Ja, es ist eine Behörde. Ja, auch ich wundere mich nicht wirklich über diese Darstellung. Die Frage ist aber, würde das Patentamt nicht größere Chancen beim Bewerber (und damit auf mehr respektive bessere Bewerbungen) haben, wenn es ein paar Punkte optimiert?
Z. B. weniger (verschwurbelte), sondern mehr praxisbezogene, konkrete Beispiele der Aufgaben darstellt, weniger Anforderungen an das Bewerberprofil stellt (insgesamt gibt es drei Abstufungen), mehr über sich als Arbeitgeber und seine Kultur und Benefits mitteilt (derzeit zwei Zeilen) und einen Ansprechpartner sowie eine Adresse für Rückfragen bzw. die Adressierung der Bewerbungsunterlagen mitteilt? Gerade im Hinblick auf eine positive Candidate Experience (die du gerne und zu Recht immer wieder postulierst!) ist das das Mindeste.
Was die Geschichte mit der Unternehmensgröße angeht. Es sind oft genug große Unternehmen, die das 1×1 guten Personalmarketings beherrschen. Oftmals punktet der Mittelstand sogar mit seinen Maßnahmen. Wenn es nach mir ginge, hätten auch andere den Preis gewonnen. Aber es geht nicht nach mir. Es sind Mehrheitsentscheidungen, die letztendlich zur Preisvergabe führen.
Aber: Natürlich sind Jannis und ich auch lernfähig und Vorschläge herzlich willkommen.
Eins darf man aber auch nicht vergessen: Gerade weil es eine solche publikumswirksame Auszeichnung ist, wird das Bewusstsein für dieses Thema geschärft und kommt solch eine Diskussion ins Rollen. Und genau das ist beabsichtigt.
Viele Grüße
Henner
Hallo Henner,
ich freue mich für die schnelle Reaktion! Ich bin da 100 %ig bei dir. Es gibt sicherlich einige – nennen wir sie mal Hygienefaktoren, die pauschal überall eingehalten werden sollten.
Ich finde das Projekt gut – und glaube auch, dass es sich noch weiter entwickeln wird. Und ja, auch die Jury wird sich womöglich noch weiterentwickeln.
Vielleicht mal ein Brainstorming mit den bisherigen Jury-Mitgliedern o.ä.
VG
Tim
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Lieber Herr Verhoeven,
ich habe zu der Art und weise der Diskussion ja bereits im Forum Stellung bezogen, für einen eigenen Blogbeitrag ist es mir zu sehr eine Sau durchs Dorf getrieben. 😉
Aber ich wollte Ihnen noch mal Danken für die differenzierte Betrachtung, die der Diskussionsinitiator in der HR Gruppe leider in meinen Augen mittlerweile vermissen lässt.
Herzliche Grüße von einem weiteren Persoblogger 🙂
Stefan Nette
Hallo Herr Nette,
vielen Dank für den Zuspruch und die Stellungnahme in der XING-Gruppe. Es ist immer mein Bestreben möglichst reflektiert über die Themen zu schreiben – auch wenn es mir manchmal in den Fingern juckt und ich manchmal auch gerne unreflektierter schreiben würde 😉
Der Initiator des Xing-Beitrags sieht die Dinge ja nicht grundsätzlich verkehrt, aber er betrachtet nur eine Seite eines vieldimensionalen Themas. Deswegen ist seine Ansicht sogleich richtig, wie auch falsch….. oh Mann klingt das philosophisch 😉
VG
Tim
P.S.: Schön einen weiteren Blogger seit diesem Jahr aus dem HR-Bereich zu sehen!