Vor Kurzem hat das Trendence Institut den neuen TrendReport „Online Recruiting – Wissen was die Zielgruppen denken“ veröffentlich – eine Essenz aus der größten Studien über Zielgruppenwissen im deutschsprachigen Raum. Die ideale Zeit, um mit dem Geschäftsführer von Trendence – Robindro Ullah – den Report genauer unter die Lupe zu nehmen. 

Tim Verhoeven: Worum geht es in deinem aktuellen TrendReport?

Robindro Ullah: Der TrendReport ist diesmal sozusagen eine Single Auskopplung aus unserer Großstudie dem Barometer, bei der wir jährlich ca. 130.000 Menschen in Deutschland befragen. Die Ergebnisse der Großstudien sind sehr umfangreich und lassen sich auf verschiedene Zielgruppen herunter brechen. Aus diesen Daten haben wir die Fragen nach der Social Media Nutzung im Kontext Beruf und Karriere sowie die Nutzung von Internetseiten rund um die Themen Karriere und Beruf herausgenommen und in einem Report veröffentlicht. Das heißt dem Report kannst du entnehmen, welche Kanäle und Seiten werden von welcher Zielgruppe bevorzugt. Dass kann als Unterstützung im operativen Kanalmix genutzt werden, aber ebenso zu strategischen Fragestellungen im Kontext Social Media herangezogen werden.  

Tim: Wie kommt ihr an die extrem hohe Anzahl von mehr als 130.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern?

Robindro: Für unsere Großstudien akquirieren wir über mehrere Monate über diverse Kanäle die Teilnehmenden. Insgesamt nutzen wir nur Online Kanäle, haben hier aber einen guten Mix aus u.a. Sozialen Netzwerken, Partner, unserem eigenen Panel, usw. In diesem Kontext arbeiten wir jedes Jahr an neuen und anderen Partnern, mit denen wir diese hohen Zahlen realisieren können. 

Tim: Inwieweit ist diese Studie repräsentativ und wie wurde dies erreicht?

Robindro: Um ein bundesweit repräsentatives Bild von den Meinungen der Befragten zu gewinnen, haben wir die Antworten so gewichtet, dass das Verhältnis der Antworten beispielsweise aus den einzelnen Bundesländern mit dem Verhältnis der Anzahl der jeweiligen Zielgruppe identisch ist. Die Gewichtung bei Studierenden stellt unter anderem sicher, dass unterschiedlich hohe Rücklaufquoten von beispielsweise Hochschulen einzelner Bundesländer ausgeglichen werden. Auf diese Weise betrachten wir unsere Zielgruppen (Schüler_innen; Studierende, Akademiker_innen sowie nicht Akademiker_innen) jeweils separat.  

Tim: Schauen wir mal ein wenig ins Detail in die Studie: Was sind die Ergebnisse für die Rubrik „Fachkräfte“ und wie interpretiert ihr die Ergebnisse?

Robindro: Bei den Fachkräften sehen wir in diesem Report beispielsweise, dass Facebook nach wie vor Social Network Nr. 1 ist, wenn es um die Nutzung im Arbeitgeber Kontext geht. Zwar sieht man einen leichten Rückgang, doch der Vorsprung den sich Facebook in der Vergangenheit erarbeitet hat, schmilzt nur langsam ab. Sehr spannend ist der Sprung den Xing in dieser Zielgruppe vollbracht hat. Wir beobachten über alle Zielgruppen hinweg, dass Netzwerke sich von Zielgruppe zu Zielgruppe fressen und weitaus länger relevant sind, als man Allgemeinhin glaubt. Entscheidend ist immer die Zielgruppe und so ist Facebook von den jungen Zielgruppen in Richtung der Berufserfahrenen gewechselt und heute ein gutes Netzwerk zur Rekrutierung von nicht Akademikern. 

„Die Entwicklungen die Xing nimmt, mögen im ersten Augenblick überraschend sein.“

Robindro Ullah

Die Entwicklungen die Xing nimmt, mögen im ersten Augenblick überraschend sein. Wenn man aber bedenkt, dass Businessnetzwerke in Summe an Bedeutung gewonnen haben, und die Zielgruppe der Facharbeitenden keinen so starken Fokus auf internationale Business-Kontakte hat, erklärt sich schon einfacher, dass hier die Nutzung in Richtung der Plattform Xing strömen. Blicken wir auf die Nutzung von Internetseiten/ Jobportalen im Kontext Arbeitgeber, so sehen wir hier Indeed an führender Stelle. Direkt gefolgt von der Arbeitsagentur, die in einigen Zielgruppen Federn lassen musste – nicht aber bei den Facharbeitern. Was hier wiederum ganz interessant ist, ist, dass der Stellenwert von Arbeitgeberbewertungsplattformen deutlich geringer ist, als bei den Akademikern. 
 

Tim: Im Anhang der Studie habe ich auch noch gesehen, dass es auch explizite Auswertungen für die heißbegehrte Zielgruppe „Informatik“ gab. Was sind hier die Ergebnisse und wie interpretiert ihr diese?

„Hier sehen wir wie in den vergangenen zwei Jahren Xing von LinkedIn überholt wurde.“

Robindro Ullah

Robindro: Bei den Studierenden der Informatik ist wie bereits erwähnt Facebook vor einiger Zeit bereits vom Thron gestoßen worden. Auf den Rängen 1 und 2 stehen Business Netzwerke. Hier sehen wir wie in den vergangenen zwei Jahren Xing von LinkedIn überholt wurde. Wenn man bedenkt, wie lange HR Experten diesen Moment bereits vorhergesagt haben, ist dieser doch recht zögerlich und spät eingetreten. Bei den Internetseiten wird das Feld durch Indeed angeführt. Hier sehen wir ein kununu auf Platz 5, was wie angedeutet im Gegensatz zu den Fachkräften für eine leicht andere Herangehensweise in der Beschaffung von Informationen rund um Arbeitgeber steht. Auch Glassdoor bekommt hier eine recht hohe Platzierung, was die internationale Verflechtung der Zielgruppe unterstreicht. Das ist allerdings nicht mit dem Wunsch nach Tätigkeiten im internationalen Kontext zu verwechseln.  

„Bei den Internetseiten wird das Feld durch Indeed angeführt.“

Robindro Ullah

Tim: Wie sollten Arbeitgeber die Studie nutzen und was können Sie daraus für den Recruiting Alltag ziehen?

Robindro: Wir betrachten hier lediglich zwei Fragestellungen unserer Gesamtstudie und damit einen sehr geringen Prozentsatz der zur Verfügung stehenden Informationen. Diese zwei Fragen sind im Kontext der Stellenschaltung sowie Social Media Präsenz sehr interessant und geben jedem Unternehmen auf einem operativen Level einen ersten Eindruck. Dabei geht es hier um die Wahrnehmung der Befragten und nicht um tatsächliche Nutzungszahlen. Trotzdem kann ich zumindest bereits auf diesem Level mein Channel Portfolio grob bestimmen. Ich spreche hier von grob, da man im Grunde nun seine genaue Zielgruppe definieren müsste, um zu gucken, ob der Durchschnitt auch für die selbst definierte Zielgruppe zutrifft. Einfach gesagt, wenn man unsere Daten beispielsweise nach Männern und Frauen getrennt auswertet, kommen teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse heraus.  So macht es auch einen Unterschied, ob ich kaufmännische Berufe betrachte oder gewerblich-technische.  

Tim: Ein wenig methodische Kritik sei erlaubt: Ich habe bei der Studie nicht die konkreten Fragen und Antwortmöglichkeiten der Teilneher gesehen. Kannst du diese noch bitte erläutern, da dies zum Verständnis der Studie beiträgt? 

Robindro: Asche über mein Haupt – da hast du recht. Die beiden Fragen, die hier zwar im Text erläutert werden, aber nicht explizit nochmals aufgeführt wurden, lauten: Welche der folgenden Internetseiten nutzt du, um dich über Beruf und Karriere zu informieren? Welche Messenger und Social-Media-Kanäle benutzt du, wenn du nach Jobs oder nach Infos rund um das Thema Karriere suchst? Die Antwortmöglichkeiten entwickeln sich von Jahr zu Jahr weiter und werden im Wesentlichen durch die Teilnehmenden bestimmt. 

Tim: Zu guter Letzt: Was sind eure Pläne für 2021 ? Wird eine neue Studie geben?  

Robindro: Trendence führt seit 21 Jahren diese Erhebungen durch und wird auch 2021 nicht damit aufhören. Jedes Jahr befragen wir ca. 130.000 Menschen aus allen Zielgruppen zu ihren Arbeitsmarkt- sowie Arbeitgeberpräferenzen. Tatsächlich haben wir durch die Pandemie inspiriert begonnen, seit Mai monatliche Erhebungen durchzuführen, die wir ebenfalls in 2021 fortsetzen werden. Die aktuellen Veränderungen am Arbeitsmarkt zu beobachten, ist mehr als spannend. Es ist für viele rekrutierende Unternehmen unerlässlich. Aber auch Themen wie Mitarbeitendenbindung oder alles Rund um Remote Work werden in den monatlichen Erhebungen beleuchtet. Zudem werden wir in 2021 den Zugang zu unseren Daten für unsere Kunden weiter digitalisieren und damit einen deutlich Sprung im Bereich Data-based HR Management ermöglichen. 

Tim: Vielen Dank für die spannenden Einblicke.


Über meinen Interviewpartner: Robindro Ullah ist Geschäftsführer der Trendence Institut GmbH und seit vielen Jahren als Berater,Autor, Speaker und Blogger aktiv. Er gilt als Experte im Bereich Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting, leitete zuvor das Personalmarketing und Recruiting Süd bei derDeutschen Bahn AG und danach den Bereich Globales Employer Branding, Recruiting und HRCommunication beim Heidenheimer Technologiekonzern Voith.